Stressfrei essen: achtsam, geistreich und genussvoll
Nicht nur was wir essen beeinflusst unsere körperliche und psychische Gesundheit, sondern auch wie wir essen. Im stressigen Alltag wird das Essen aber meist schnell und nebenbei erledigt. Mehr Achtsamkeit beim Essen kann helfen, bewusster zu essen, das passende Maß zu finden und intensiver zu genießen. Lassen Sie sich inspirieren von Ideen für eine bewusste und stressfreie Art des Essens.
Unser Alltag ist heute geprägt von Stress und Hektik. In Beruf und Freizeit ist alles durchgetaktet, fertig wird man nie und Zeit, in der man „nichts tut“ ist vertane Zeit. Bei diesem alltäglichen Trubel muss auch das Essen und Trinken noch untergebracht werden. Das geht dann meist schnell und nebenbei, ohne sich die Zeit zu nehmen für bewusstes Genießen. Auch wenn wir uns bemühen, „Gesundes“ auszuwählen, wirkt sich doch die Art, wie wir essen, auf unser Wohlbefinden aus. Und manchmal nutzen wir auch das Essen, um uns in stressigen Situationen zu beruhigen und zu belohnen, oft mit fett- und kalorienreichen Snacks, Süßigkeiten und Knabbereien. Passiert das sehr häufig, tut das uns langfristig nicht gut und fördert zusätzlich Stress und Unzufriedenheit.
Achtsam essen
Täglich treffen wir mehr als 200 Ess-Entscheidungen, die meisten unbewusst und automatisch. Bewusstes, achtsames Essen, mit Genuss und Freude, bringt mehr Entspannung und Zufriedenheit in unser Leben. Wir können üben, dem Essen im Alltag wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei können folgende Schritte helfen:
- uns bewusst und zur passenden Zeit für das Essen entscheiden
- Hunger wahrnehmen oder vielleicht auch „nur“ Appetit
- sich möglichst hinsetzen und ohne Ablenkung (z. B. durch Handy, Fernsehen, stressige Gespräche) essen
- das Essen erst einmal anschauen und riechen
- bewusst und langsam essen, gründlich kauen, intensiv schmecken
- Sättigung wahrnehmen
- und vielleicht auch dankbar sein, dass wir Essen dürfen, oder dass es jemand für uns zubereitet hat.
Wir können sicher nicht jede Mahlzeit jeden Tag in dieser Weise erleben. Das ist auch gar nicht nötig. Wenn Sie alle oder einzelne Schritte ab und zu bei Mahlzeiten in Ihren Alltag einbauen, wird sicher mit der Zeit auch Ihr „normales“ Essen bewusster und achtsamer.
Starten Sie mit der Übung „Der achtsame Bissen“ und nehmen Sie wahr, was sich verändert.
Übung: Der achtsame Bissen
- bei einer Mahlzeit am Tag auf den ersten (oder die ersten zwei bis drei) Bissen konzentrieren, sich bewusst darauf einstellen, besonders achtsam zu essen
- den Bissen auf Gabel oder Löffel nehmen
- zunächst anschauen, dann riechen
- den Bissen in den Mund nehmen und langsam kauen
- Sich dabei fragen: Was genau sehe, rieche, schmecke ich? Wie fühlt sich der Bissen an? Wann möchte ich schlucken? Was bleibt danach?
„Geistreich“ essen für mehr Gelassenheit
In der traditionelle indische Heilkunst Ayurveda unterscheidet man drei unterschiedliche Qualitäten (Gunas genannt), die unsere mentale Verfassung prägen, Sattva, Rajas und Tamas. Auch wenn die Begriffe uns eher fremd sind, so kann die Idee dahinter ganz hilfreich sein, unser Verhalten besser zu verstehen.
- Sattva zeigt sich als Zufriedenheit, Entspanntheit, Gelassenheit, Begeisterung, geistige Klarheit und Lebensfreude.
- Rajas zeigt sich als Aktivität, Leidenschaft und Ehrgeiz, bei Überschuss aber auch als Unruhe, Ungeduld und Aggression
- Tamas zeigt sich als Beständigkeit und im Schlafbedürfnis, bei Überschuss aber auch in Trägheit, Lethargie, Erschöpfung und Interessenlosigkeit.
Alle drei Eigenschaften sind wichtig für uns, und idealerweise halten wir sie im Gleichgewicht. Wir schlafen genug (Tamas) sind ausreichend aktiv und engagiert im Alltag (Rajas) und nehmen uns Zeit für Freizeit, Entspannung und „geistige“ Erholung (Sattva). Häufig kommen heutzutage allerdings die sattvischen Qualitäten viel zu kurz. Geschäftigkeit bestimmt unseren schnelllebigen Alltag bis hin zur Rastlosigkeit. In der freien Zeit wollen wir uns weiter beweisen mit Aktivitäten und Freizeitstress. Wir essen zu schnell und nebenbei, häufig intensiv schmeckendes, salzig scharfes Fast Food. Oder wir fallen zusammen, wollen nur noch auf der Couch liegen, gar nichts mehr tun und sind gierig nach Fertiggerichten, Süßigkeiten und Knabbereien.
Für einen gesunden Lebensstil mit weniger Stress und richtiger Balance zwischen Aktivität, Ausruhen und Entspannen bräuchte es also mehr Sattva-Qualität. Angemessene Bewegung, Aufenthalt in der Natur, Yogaübungen, Meditation (oder andere Entspannungsmethoden) und auch eine nährstoffreiche, gesunde Ernährung fördern Sattva und sorgen für ausgeglichenen Körper und Geist. Sattvisch essen bedeutet nach Ayurveda regelmäßige Mahlzeiten einzuhalten, die aus viel frischem, reifem Gemüse, Salat, Obst, Getreide, Hülsenfrüchten, Milch, Milchprodukten und Nüssen zusammengestellt sind und mit frischen Kräutern und feinen, eher milden Gewürzen verfeinert werden.
Folgende Lebensmittel werden im Ayurveda besonders empfohlen als „Nervennahrung“:
Früchte: süß und reif, besonders Datteln, Rosinen, Granatapfel, Trauben, Feigen,
Gemüse: Blattgemüse, Kürbis, Zucchini, Gurke, Süßkartoffel, frische Kräuter
Getreide: Weizen, Gerste, Reis, Hafer
Hülsenfrüchte: Mungobohnen (Mung-Dal), Rote Linsen
Nüsse: Mandeln, Walnüsse
Öle und Fette: Ghee (indisches Butterschmalz), Butter, Sesamöl
Gewürze: z. B. Ingwer, Kurkuma, Fenchel, Anis, Kümmel, Süßholz, Safran, Kardamom
Getränke: frisches Leitungswasser, abgekochtes warmes Wasser, Kräutertee
Sonstiges: Milch (warm), Honig, Kokosnuss
Fleisch, Fisch, Eier, Zucker, Kaffee und Alkohol gehören nicht dazu. Sie erhöhen v.a. in größeren Mengen Rajas und Tamas und sollten in Phasen mit viel Stress und Erschöpfung seltener gegessen bzw. getrunken werden, obwohl es uns gerade dann oft sehr danach verlangt.
Gesund genießen
Nicht nur was wir essen beeinflusst unsere körperliche und psychische Gesundheit, sondern auch wie wir essen. Erleben wir Genuss und Freude beim Essen, bringt das Entspannung und Zufriedenheit in unser Leben. Aber was heißt eigentlich „Genuss“ in Bezug auf Essen und Trinken? Auf jeden Fall nicht, einfach alles nach Lust und Laune zu verspeisen, wonach es uns „gelüstet“. Denn je mehr und öfter wir etwas unbegrenzt konsumieren, umso weniger empfinden wir es als Genuss. Der Psychologe Rainer Lutz hat sieben Genussregeln formuliert, die uns beim Essen und Trinken echten Genuss erleben lassen.
Die „7 Genussregeln“ nach Lutz
- Genuss braucht Zeit.
Sich Zeit nehmen beim Essen. Das klappt sicher nicht bei jeder Mahlzeit im Alltag. Aber sorgen Sie ab und zu dafür, dass Sie gemütlich und in Ruhe essen.
- Genießen ist erlaubt.
Es braucht keine Verbote beim Essen. Auf die Auswahl und die Menge kommt es an. Vermeintlich „ungesunde“ Lebensmittel können Genussmomente bringen, wenn wir sie in angemessener Menge und ohne schlechtes Gewissen genießen.
- Genuss geht nicht nebenbei.
Für echten Genuss beim Essen ist volle Aufmerksamkeit und Achtsamkeit nötig. Nur so nehmen wir den Geschmack wahr und spüren, wenn wir satt sind. Unbewusst und nebenbei essen bringt keinen Genuss und lässt uns oft mehr essen, als wir brauchen.
- Wissen, was einem gut tut.
Jeder kann seine eigenen Vorlieben beim Essen und Trinken herausfinden und spüren was gut tut. Allgemeine Empfehlungen passen nicht unbedingt für jeden.
- Weniger ist mehr.
Genuss ist bei Überangebot nicht mehr möglich. Das Lieblingsessen oder den Lieblingswein jeden Tag bringt irgendwann keinen Genuss mehr. Dagegen steigern Mäßigung und freiwilliger Verzicht den Genuss. Eine gute Qualität der Speisen ist wichtiger als die Menge.
- Ohne Erfahrung kein Genuss.
Genusserfahrungen können erlernt werden durch Ausprobieren und Üben. Neue Lebensmittel und Getränke mit noch ungewohntem Geschmack ermöglichen mit der Zeit neue Genusserlebnisse.
- Genuss ist (auch) alltäglich.
Für ein Genusserlebnis beim Essen müssen es nicht immer besondere Anlässe sein. Durch achtsames Essen können wir auch bei einer normalen Alltags-Mahlzeit Genuss erleben. Das Essen aufmerksam kauen, riechen und schmecken und sich z. B. über den Kaffeeduft am Morgen freuen, den schön gedeckten Tisch oder die besonderen Gewürze in einem schmackhaften Essen.
Verbinden Sie die Ideen von Achtsamkeit, Sattva und Genuss zu Ihrem persönlichen Essstil für einen entschleunigten Alltag. Wählen Sie frische, nährstoffreiche, sattvische Lebensmittel und bereiten daraus mit Freude schmackhafte Speisen, die Sie mit Genuss und Achtsamkeit essen. Probieren Sie es aus, z. B. mit einem leckeren Haferporridge als guten Start in den Tag. Vielleicht nicht täglich. Aber immer öfter?
Haferporridge mit Trockenfrüchten (1 mittlere Portion)
für einen guten Start in den Tag oder als leckere Zwischenmahlzeit
Zutaten:
- 3 getrocknete Datteln
- 1-2 getrocknete Feigen (je nach Größe)
- 150 ml Wasser
- 3-4 gehäufte EL Haferflocken
- 50 ml Milch (oder pflanzliche Milchalternative wie Soja-, Hafer-, Mandeldrink)
- 1 Messerspitze Kardamom
- etwas Zimt, evtl. Vanille
- 1 Prise Salz
- 2-3 Mandeln (geschält, evtl. geröstet)
Zubereitung:
- Trockenfrüchte über Nacht in ca. 150 ml Wasser einweichen
- Trockenfrüchte aus dem Wasser nehmen (Wasser aufheben) und klein schneiden.
- Mandeln grob hacken.
- Getreideflocken mit Einweichwasser im kleinen Topf erwärmen. Milch, Kardamom, Zimt, Vanille und Salz dazugeben und etwa 3-5 min köcheln lassen, bis der Brei sämig ist. Ggfls. noch etwas Flüssigkeit zugeben.
- Trockenfrüchte und Mandeln untermischen, in Schale füllen und warm verzehren.
Tipp:
Wer den Brei lieber weniger sämiger isst, kann auch nur das Einweichwasser mit der Milch und den Gewürzen erwärmen, über die Flocken gießen und nur kurz ziehen lassen.
Wenn man die Trockenfrüchte nicht einweicht, nimmt man Leitungswasser und/oder etwas mehr Milch dazu.
Schmeckt auch lecker mit gerösteten Kokoschips statt Mandeln als Topping.